CEO Matijas Meyer (links) und Verwaltungsratspräsident Beat Kälin im Gespräch.

Matijas Meyer, die Komax Gruppe hat im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatzeinbruch von 16.2% erlitten. Was ist geschehen?

Matijas Meyer: Gegen Ende 2023 zeigte sich zunehmend, dass die Investitionsbereitschaft bei unserer Kundschaft sank und sich der Markt abschwächte. Diese Entwicklung setzte sich 2024 fort. Dafür gab es vielfältige, regional unterschiedliche Ursachen. Ein gemeinsamer Faktor waren die geopolitischen Unsicherheiten, die das Investitionsklima negativ beeinflussten. In Europa und Nordafrika hatten wir zusätzlich mit der schwächelnden europäischen Autoindustrie und Überkapazitäten bei unserer Kundschaft zu kämpfen. Die Überkapazitäten stammen noch aus dem Jahr 2022, als wir nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ausserordentliche Bestellungen von insgesamt rund CHF 100 Millionen erhielten. Die Automobilindustrie befürchtete damals, dass in der Ukraine keine Kabelbäume mehr hergestellt werden können und daher zusätzliche Produktionskapazitäten in Osteuropa und Nordafrika aufgebaut werden müssen. Letztendlich wurden diese jedoch nicht benötigt, da in der Ukraine seither weiterhin viele Kabelbäume gefertigt werden.

Den Tiefpunkt haben wir sicherlich im ersten Halbjahr 2024 durchschritten. Seither geht es aufwärts.
—  Matijas Meyer, CEO

Ist diese Schwächephase nun überstanden?

Matijas Meyer: Den Tiefpunkt haben wir sicherlich im ersten Halbjahr 2024 durchschritten. Seither geht es aufwärts, auch wenn wir von unserem «normalen Niveau» noch weit entfernt sind. Trotz aller Herausforderungen gab es auch positive Entwicklungen.

Welche sprechen Sie an?

Matijas Meyer: Während in Europa und Afrika der Umsatz um rund 30% zurückging, konnten wir diesen in Asien sowie Nord-/Südamerika sogar leicht steigern. In Asien hat auch die Übernahme der Mehrheit an Hosver etwas dazu beigetragen. In den Amerikas ist das positive Ergebnis nicht zuletzt unserer starken Position in den Non-Automotive-Märkten zu verdanken.

Bleiben wir bei den Non-Automotive-Märkten – wie haben sich diese entwickelt?

Matijas Meyer: Sehr erfreulich. Wir haben den Umsatz in den Marktsegmenten Industrial & Infrastructure sowie Aerospace & Railway um insgesamt gut 7% steigern können. Dadurch haben wir den Anteil unseres Non-Automotive-Umsatzes von 25% auf rund 35% erhöht. Damit liegen wir bereits über unserem angestrebten strategischen Ziel von 30%, das wir bis 2030 erreichen wollen. Natürlich ist uns bewusst, dass dieser hohe Prozentsatz im Jahr 2024 eher auf die Schwäche des Automobilmarkts als auf die Stärke der anderen Marktsegmente zurückzuführen ist. Doch nicht nur, denn mit unserem breiten Produkt- und Serviceportfolio bieten wir beispielsweise Flugzeugherstellern für den gesamten Prozess der Kabelbaumproduktion verschiedene Lösungen, die im Berichtsjahr gut nachgefragt worden sind.

Beat Kälin, hat die Komax Gruppe bei den anderen strategischen Zielen ebenfalls Fortschritte erzielt?

Beat Kälin: Ja, wir sind auf Kurs. Neben dem Ausbau des Non-Automotive-Geschäfts fokussieren wir insbesondere auf die Stärkung unserer Marktposition in Asien und den Ausbau des Servicegeschäfts. Bei all diesen strategischen Stossrichtungen sind wir vorangekommen. So haben wir 2024 die Anzahl an Serviceverträgen markant erhöhen und unser Servicebudget übertreffen können. Auch in China haben wir wichtige Meilensteine erreicht.

Was für Meilensteine sind das?

Beat Kälin: Mit der zum 1. Juli getätigten Übernahme der Mehrheit an Hosver haben wir unsere Position im wachsenden Markt für Elektromobilität erheblich gestärkt. Hosver ist in China der klare Marktführer für Maschinen zur Verarbeitung von Hochvoltkabeln und zählt die führenden Elektrofahrzeughersteller und deren Kabelkonfektionäre zu seiner Kundschaft. Ausserhalb Asiens sind wir bereits seit längerem mit unseren in Ungarn produzierten Maschinen gut aufgestellt. Hosver spielt jedoch nicht nur im Bereich Elektromobilität eine wichtige Rolle für uns. Mit dem Trend zum autonomen Fahren steigt die Anzahl der Sensoren und Datenleitungen in Fahrzeugen stetig. Zur Verarbeitung dieser Datenleitungen sind spezielle Maschinen erforderlich, die wir seit Jahren in Deutschland bei Komax SLE herstellen. Dank seiner grossen Innovationskraft und der Zusammenarbeit mit Komax SLE hat Hosver in kurzer Zeit eine Datenleitungsmaschine für den chinesischen Markt entwickelt, die wir an der productronica in Shanghai Ende März 2025 erstmals präsentieren werden. Diese Entwicklung ist wichtig und erfreulich und nur ein Teil dessen, was wir 2024 in China erreicht haben.

Welche weiteren Fortschritte gab es?

Beat Kälin: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist für uns entscheidend, nicht nur in Europa zu entwickeln und zu produzieren, sondern vermehrt auch in China, um noch gezielter auf die asiatischen Bedürfnisse eingehen und schneller liefern zu können. Dabei ist nicht nur Hosver für uns wichtig, sondern auch unser Schleuniger-Standort in Tianjin. Dort werden wir in Kürze ein weiteres lokalisiertes Produkt, unsere Verdrillmaschinen der Sigma-Serie, herstellen. Auch diese werden wir unserer Kundschaft zum ersten Mal an der productronica vorführen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich unsere Ende 2024 erworbene Minderheitsbeteiligung an E-Plus. E-Plus ist der grösste Anbieter von digitalen Smart-Factory-Lösungen für die Kabelverarbeitungsindustrie in China. Ich bin überzeugt, dass der Austausch und die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen uns bei der digitalen Transformation weiterbringen wird.

Wir haben 2024 bedeutende Schritte bei der Umsetzung unserer Strategie gemacht und sind dadurch besser aufgestellt als noch vor einem Jahr.
—  Beat Kälin, Verwaltungsratspräsident

Obwohl die Komax Gruppe grundsätzlich strategisch auf Kurs ist, hat sie im November ihre Mittelfristziele verschoben. Weshalb?

Beat Kälin: Wir haben 2024 bedeutende Schritte bei der Umsetzung unserer Strategie gemacht und sind dadurch besser aufgestellt als noch vor einem Jahr. Die allgemeine Marktsituation können wir nicht beeinflussen. Statt eines durchschnittlichen Wachstums von 6 bis 9% pro Jahr mussten wir 2024 einen deutlichen Umsatzrückgang hinnehmen, von dem wir nicht erwarten, diesen bereits 2025 wieder wettmachen zu können. Daher haben wir unsere Ziele von 2028 auf 2030 verschoben. Der Trend zur Automatisierung in der Kabelverarbeitung bleibt jedoch ungebrochen und wir sind zuversichtlich, dass wir dank unserer Flexibilität, Innovationskraft und der eingeleiteten Massnahmen erheblich profitieren werden, wenn der Aufschwung einsetzt. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir 2030 einen Umsatz von CHF 1.0 bis 1.2 Milliarden und ein EBIT von CHF 120 bis 160 Millionen erzielen können.

Werden die eingeleiteten Massnahmen auch helfen, die Profitabilität nachhaltig zu verbessern?

Matijas Meyer: Ja, definitiv. Wir können zweifellos festhalten, dass wir 2024 diesbezüglich unsere Hausaufgaben gemacht haben. Wir haben intensiv an unseren Strukturen und damit an unserer Kostenbasis gearbeitet. Dazu gehört, dass wir unsere weltweiten Vertriebskanäle von 80 auf rund 50 reduziert haben und intensiv daran sind, unser Produktportfolio zu straffen und die Anzahl unserer Engineering- und Produktionsstandorte zu verkleinern. Bereits 2024 haben wir einiges abgeschlossen und vieles initiiert, das bis spätestens Ende 2025 umgesetzt sein wird. Anfang 2024 hatten wir 30 solcher Standorte. Bei zehn davon wurden verschiedene Massnahmen eingeleitet. Dazu gehört etwa, dass wir die Produktion aufgegeben, sie an einen anderen Produktionsstandort verlagert und/oder den Standort ganz geschlossen haben. Leider geht mit diesen Strukturoptimierungen auch der Abbau von Arbeitsplätzen einher, was ich für die betroffenen Mitarbeitenden sehr bedaure. All die Optimierungsmassnahmen, die wir seit 2024 umsetzen, werden dazu führen, dass unsere Komplexität abnimmt. Unsere Kostenbasis wird ab 2025 um rund CHF 3 Millionen und ab 2026 gar um CHF 10 Millionen niedriger sein.

Haben diese Massnahmen auch bereits 2024 Wirkung gezeigt?

Matijas Meyer: Da wir bereits gegen Ende 2023 davon ausgehen mussten, dass 2024 sehr herausfordernd wird, haben wir frühzeitig Kostensparmassnahmen eingeleitet. Dadurch konnten wir 2024 Einsparungen von rund CHF 20 Millionen realisieren, was entscheidend war, um ein EBIT von CHF 16 Millionen bzw. eine EBIT-Marge von 2.5% zu erreichen. Dieses Ergebnis erachte ich als sehr respektabel, wenn man bedenkt, dass wir einen Umsatzeinbruch von 16.2% erlebt haben, der insbesondere das margenträchtige Volumengeschäft betraf. Hinzu kamen ausserdem Einmalaufwendungen von CHF 11.5 Millionen. Ein solches Ergebnis war nur durch den enormen Einsatz und die Flexibilität unserer Mitarbeitenden sowie deren Verständnis für die verschiedenen Massnahmen möglich. Dafür möchte ich unseren Mitarbeitenden ganz herzlich danken!

Beat Kälin, weshalb werden Sie sich an der Generalversammlung im April 2025 nicht mehr zur Wiederwahl als Verwaltungsratspräsident stellen?

Beat Kälin: Nach zehn Jahren in diesem Amt halte ich es für den richtigen Zeitpunkt, um den Vorsitz abzugeben. Ich werde meine fast zwanzigjährige Erfahrung in der automatisierten Kabelverarbeitung jedoch weiterhin als Mitglied im Verwaltungsrat einbringen. Besonders erfreulich ist, dass wir mit Andreas Häberli einen Nachfolger nominieren können, der durch seine Erfahrung als langjähriges Mitglied im Gremium hervorragend für dieses Amt geeignet ist. In dieser von Veränderung geprägten Zeit ist es wichtig, Stabilität und Kontinuität zu gewährleisten. Mit Andreas Häberli ist dies gegeben und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.

Wo liegen 2025 die Schwerpunkte?

Matijas Meyer: Wie erwähnt, gibt es zahlreiche Massnahmen zur Strukturoptimierung, die wir 2025 abschliessen wollen. Da wir auch 2025 ein herausforderndes Marktumfeld erwarten, werden wir weiterhin grossen Wert auf Kosteneffizienz legen. Zudem werden wir konsequent an der Umsetzung unserer Strategie arbeiten. Dazu gehört auch die Lancierung von verschiedenen neuen innovativen Produkten, auf die ich mich freue. Die Integration von Schleuniger ist in den letzten zweieinhalb Jahren sehr gut verlaufen und wir wachsen immer mehr als Gruppe zusammen. Diesen Prozess werden wir weiter vorantreiben. Und schliesslich möchte ich das Highlight des Jahres erwähnen: Sowohl Komax als auch Schleuniger haben ihr 50-Jahr-Jubiläum, das wir natürlich feiern werden.