Interview mit VR-Präsident und CEO
Trend zu mehr Automatisierung ungebrochen
Die Komax Gruppe hat sich 2022 in einem turbulenten Marktumfeld sehr gut behauptet und ist durch den Zusammenschluss mit Schleuniger in einer vielversprechenden Ausgangslage für eine erfolgreiche Zukunft.
Beat Kälin, wie beurteilen Sie das Geschäftsjahr 2022?
Beat Kälin: 2022 war definitiv ein Jahr, das für die Komax Gruppe in die Geschichte eingeht. Einerseits, weil wir noch nie einen so hohen Bestellungseingang und Umsatz erzielt haben. Und andererseits ist der Zusammenschluss mit Schleuniger von langfristiger grosser Bedeutung.
Der Zusammenschluss kam für viele überraschend. Was sind die Hintergründe?
Beat Kälin: Es gibt verschiedene Trends in unserem Markt, die zahlreiche Opportunitäten bieten. Beispielsweise die Elektromobilität, die Verschiebung des Automobilmarkts nach Asien oder die Automatisierung im Allgemeinen. Um die sich uns bietenden Wachstumschancen konsequent nutzen zu können, sind hohe Investitionen erforderlich. Komax und Schleuniger sind diesbezüglich in der gleichen Situation: Beides sind erfolgreiche, gesunde Unternehmen, die aufgrund der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen priorisieren müssen, auf welche Trends sie setzen werden.
Was versprechen Sie sich somit vom Zusammenschluss?
Beat Kälin: Er stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig, da wir über zusätzliches Know-how und mehr Ressourcen verfügen, um den Trends gerecht werden zu können. Oder anders ausgedrückt: Durch den Zusammenschluss erhalten wir die Ressourcen, um schneller neue Lösungen auf den Markt zu bringen und damit die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden noch besser und auf breiterer Ebene zu befriedigen.
Der Zusammenschluss mit Schleuniger stärkt langfristig unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Matijas Meyer, sprechen wir über das Geschäftsergebnis 2022. Wie zufrieden sind Sie damit?
Matijas Meyer: Wir erleben seit mehreren Jahren ein herausforderndes Marktumfeld. Dass wir hier Rekordwerte erzielen konnten, ist eine ausserordentliche Leistung, die mich sehr freut. Dieses Ergebnis ist dank des enormen Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zustande gekommen. Im Namen der Gruppenleitung danke ich allen, die sich unermüdlich für die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden einsetzen und dabei tagtäglich unterschiedliche Herausforderungen meistern.
Welche Herausforderungen sprechen Sie an?
Matijas Meyer: Wie in den vergangenen Jahren haben uns die Corona-Pandemie und die Schwierigkeiten bei den Lieferketten zu schaffen gemacht. Der Pandemieverlauf hatte insbesondere Auswirkungen auf unsere Geschäftstätigkeit in Asien. Durch die Lockdowns waren Kundenbesuche über längere Zeit stark eingeschränkt oder gar unmöglich. Zudem waren unsere Mitarbeitenden am Produktionsstandort in Schanghai direkt vom wochenlangen Lockdown der Stadt betroffen. Sie haben diese Situation auf bewundernswerte Weise gemeistert. Einige Mitarbeitende haben einen Teil der Lockdown-Zeit sogar an unserem Standort in Schanghai verbracht, um weiterarbeiten zu können.
Wie steht es um die Lieferketten? Ist Besserung in Sicht?
Matijas Meyer: In der zweiten Jahreshälfte hat sich die Beschaffungssituation punktuell etwas verbessert. Doch es gibt nach wie vor diverse Komponenten, die knapp sind und lange Lieferzeiten haben. Es ist den grossen Anstrengungen und dem Know-how unserer Mitarbeitenden im Bereich Beschaffung zu verdanken, dass wir trotz allem weiterhin eine hohe Liefertreue gewährleisten konnten. Insbesondere wenn man bedenkt, welch ausserordentliche Situation wir im ersten Halbjahr erlebt haben.
Was meinen Sie damit?
Matijas Meyer: Wir sind mit einem hohen Auftragsbestand ins Jahr 2022 gestartet. Folglich hatten wir viel zu tun und unsere Fachkräfte waren gefordert, die benötigten Komponenten in der erforderlichen Zeit zu beschaffen. Als dann der Krieg in der Ukraine losging, vervielfachten sich die Herausforderungen in unserer Produktionsplanung innerhalb weniger Tage.
Können Sie das konkretisieren?
Matijas Meyer: Da in der Ukraine viele Kabelbäume für Autohersteller in Europa produziert werden, waren diese sehr besorgt, dass sie aufgrund des Kriegs die benötigten Kabelbäume nicht mehr zeitgerecht zur Verfügung haben werden. Um dem entgegenzuwirken, waren Kabelkonfektionäre bestrebt, möglichst schnell Ersatzkapazitäten in anderen Ländern aufzubauen, insbesondere in Osteuropa und Nordafrika. Dafür benötigten sie zahlreiche Kabelverarbeitungsmaschinen. Für uns bedeutete dies, dass wir innerhalb eines Monats so viele Bestellungen erhielten wie sonst in einem ganzen Quartal. Und natürlich war die Lieferdringlichkeit enorm hoch. Was für uns zur Folge hatte, dass wir in kürzester Zeit unsere Produktionskapazität massiv erhöhen und einen Weg finden mussten, um noch mehr der eingeschränkt verfügbaren Komponenten zu beschaffen. Die Flexibilität und die Einsatzbereitschaft, die unsere Mitarbeitenden in dieser Situation gezeigt haben, hat mich beeindruckt und ausserordentlich gefreut.
Haben Sie alle Bestellungen abarbeiten können?
Matijas Meyer: Der Trend zu mehr Automatisierung sowie der Krieg in der Ukraine haben zu einem enorm hohen Bestellungseingang geführt. Und mit der aktuellen Lieferkettensituation kann das Produktionsvolumen nicht beliebig erhöht werden. Wir haben deshalb Ende 2022 eine hohe Book-to-Bill-Ratio von 1.12 ausgewiesen, was uns zuversichtlich für das Ergebnis des ersten Halbjahres 2023 stimmt.
Neben Bestellungseingang und Umsatz ist 2022 auch die EBIT-Marge gestiegen. Gibt es da einen Zusammenhang?
Beat Kälin: In unserem Geschäft gibt es zwei Elemente, welche die EBIT-Marge massgeblich beeinflussen: das Volumen und der Produktemix. Beide haben sich 2022 zu unseren Gunsten entwickelt. Einerseits haben wir den Umsatz deutlich steigern können und andererseits hat sich die hohe Zahl der Bestellungen für den Aufbau von Ersatzkapazitäten ausserhalb der Ukraine positiv auf den Produktemix ausgewirkt. Dominiert haben vor allem Crimp-to-Crimp-Maschinen, die wir in Serie produzieren und die über einen entsprechend guten «Operating Leverage» verfügen. Natürlich gilt es, auch die Kostensituation im Griff zu haben, wenn die EBIT-Marge steigen soll.
Dieses Ergebnis ist nur dank des enormen Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zustande gekommen.
Wie profitieren Aktionärinnen und Aktionäre von dieser Profitabilitätssteigerung?
Beat Kälin: Sehr direkt: zum einen, indem die Komax-Aktie 2022 in einem turbulenten Marktumfeld rund 2% an Wert gewann, während beispielsweise der SPI Extra 24% einbüsste. Und zum anderen mit einer Dividendenerhöhung auf CHF 5.50, die der Verwaltungsrat der Generalversammlung beantragt. Die Hälfte davon werden wir aus Kapitaleinlagereserven ausschütten. Diese wird somit für natürliche Personen in der Schweiz, die Aktien im Privatvermögen halten, steuerfrei sein. Die CHF 5.50 entsprechen einer Ausschüttungsquote von 54.5%. Damit erfüllen wir unsere strategische Zielsetzung, die eine attraktive Dividendenpolitik mit einer Ausschüttungsquote von 50–60% des Gruppenergebnisses nach Steuern (EAT) vorsieht.
Werden künftig weitere Ausschüttungen aus Kapitaleinlagereserven möglich sein?
Beat Kälin: Ja, denn durch den Zusammenschluss mit Schleuniger haben sich diese Reserven von CHF 0.8 Millionen auf CHF 207.1 Millionen erhöht. Wenn nach der Generalversammlung die beantragte Dividende ausgeschüttet wird, verbleiben über CHF 180 Millionen Kapitaleinlagereserven. Das heisst, wir können auch künftig zahlreichen Aktionärinnen und Aktionären eine teilweise steuerfreie Ausschüttung ermöglichen.
Wann gibt es neue Finanzziele, nachdem die bisherigen ein Jahr früher als geplant erreicht worden sind?
Beat Kälin: Der Verwaltungsrat hat im März 2020 als Ziel definiert, 2023 einen Umsatz zwischen CHF 450 und 550 Millionen und ein EBIT zwischen CHF 50 und 80 Millionen zu erzielen. Nun haben wir bereits im Jahr 2022 einen Umsatz von CHF 522 Millionen und ein EBIT von CHF 67 Millionen erreicht. In diesen genannten Zahlen sind selbstverständlich Umsatz und EBIT von Schleuniger nicht enthalten, da wir bei der Zielsetzung nicht von diesem Zusammenschluss ausgegangen sind. Im Rahmen des momentan laufenden Strategieprozesses werden wir neue Ziele definieren, die Ende September kommuniziert werden.
Der Zusammenschluss mit Schleuniger hat Ende August 2022 stattgefunden. Weshalb dauert es ein Jahr, bis Sie eine neue Strategie erarbeitet und Ziele definiert haben?
Matijas Meyer: Durch den Zusammenschluss ist die Komax Gruppe rund 50% grösser geworden. Dabei sind über 1000 Mitarbeitende und elf Gesellschaften hinzugekommen. Wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, ist ein Integrationsprozess, in den die Mitarbeitenden involviert sind und in dem transparent kommuniziert wird, von entscheidender Bedeutung. Für die Erarbeitung der neuen Strategie müssen wir zuerst die neue Ausgangslage detailliert analysieren. Dabei ist es wichtig, das grosse Know-how der Mitarbeitenden in allen Regionen und Marktsegmenten, sowohl bei Komax als auch bei Schleuniger, bestmöglich zu nutzen. Damit dies gelingt, haben wir uns in einem ersten Schritt kennenlernen und eine Vertrauensbasis schaffen müssen, auf der wir aufbauen und gemeinsam das künftige Zielbild erarbeiten können. Dieser Prozess benötigt Zeit, doch ich bin überzeugt, dass diese gut investiert ist. Denn sowohl Komax als auch Schleuniger sind erfolgreiche Unternehmen, bei denen keine Sofortmassnahmen nötig sind.
Welche Themen, abgesehen von der neuen Strategie, stehen 2023 in Ihrem Fokus?
Matijas Meyer: Der Integrationsprozess ist bisher sehr positiv verlaufen und viele Komax- und Schleuniger-Mitarbeitende arbeiten bereits intensiv zusammen. Auf diesem Pfad gilt es weiterzugehen. Dabei ist zentral, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern weiterhin bestmöglich auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden eingehen. 2023 werden uns zahlreiche Unsicherheitsfaktoren wie die konjunkturelle Entwicklung, die einen Einfluss auf das Investitionsverhalten unserer Kundschaft haben kann, und weiterhin auch die Lieferkettensituation fordern. Dennoch blicke ich zuversichtlich auf die kommenden Monate, da der Trend zur Automatisierung ungebrochen ist und wir mit diversen neuen Lösungen aufwarten können. Einige davon werden wir an der Productronica in München im November präsentieren, an der Komax und Schleuniger erstmals einen grossen gemeinsamen Auftritt an einer Messe haben werden. Dies wird ein Highlight im Jahr 2023.