Interview mit VR-Präsident und CEO
Sehr gute Fortschritte bei der Integration von Schleuniger
Auch in der aktuell herausfordernden Marktsituation bleibt die Komax Gruppe zuversichtlich, das bestehende Wachstumspotenzial nutzen und die Ziele 2028 erreichen zu können.
Matjias Meyer, das Geschäftsjahr 2023 hat sich schwächer entwickelt, als die Komax Gruppe Anfang Jahr erwartet hat. Wie ist es dazu gekommen?
Matijas Meyer: Wir haben insbesondere in China einen tieferen Umsatz erzielt und weniger Bestellungen erhalten als geplant. In Europa und Nord-/Südamerika sind wir lange auf Kurs gewesen. Erst gegen Ende 2023 haben sich unsere Kundinnen und Kunden deutlich zurückhaltender mit ihren Investitionstätigkeiten gezeigt. Daher haben wir unser ursprüngliches Umsatzziel um CHF 20 Millionen bzw. 2.5% knapp verpasst.
Weshalb haben diese fehlenden CHF 20 Millionen die EBIT-Marge so deutlich reduziert?
Matijas Meyer: Die EBIT-Entwicklung hängt bei uns stark vom Produktemix ab. Da wir vor allem Einbussen in unserem Volumengeschäft erlitten, hatte dies überproportionale Auswirkungen auf unser EBIT. Zudem hat auch die starke Frankenaufwertung in der zweiten Dezemberhälfte das Ergebnis zusätzlich negativ beeinflusst.
2023 wurden beinahe 10% mehr Fahrzeuge produziert als 2022. Warum hat die Komax Gruppe von dieser Zunahme an zu verarbeitenden Kabeln nicht stärker profitiert?
Matijas Meyer: 2022 haben Komax und Schleuniger aufgrund des Kriegsausbruchs in der Ukraine ausserordentliche Bestellungen von insgesamt rund CHF 100 Millionen erhalten. Da dort 7 bis 8% der in Europa gefertigten Kabelbäume konfektioniert werden, wollte sich die Automobilindustrie absichern und baute in anderen Ländern, insbesondere in Osteuropa und Nordafrika, zusätzliche Produktionskapazitäten auf. Im Verlauf des Jahres 2023 zeigte sich, dass Überkapazität vorhanden war, da in der Ukraine weiterhin viele Kabelbäume gefertigt werden. Das Wachstum bei den produzierten Fahrzeugen konnte unsere Kundschaft damit zum Teil bewältigen, ohne zusätzliche Maschinen bei uns zu bestellen.
Die Komax Gruppe ist auch in China das umsatzstärkste Unternehmen unserer Branche.
Beat Kälin, der Automobilmarkt ist auch in China gewachsen, wo der Ukraine-Krieg keinen direkten Einfluss hat. Ist die Komax Gruppe in China genügend stark positioniert, um am Wachstum zu partizipieren?
Beat Kälin: Die Komax Gruppe ist auch in China das umsatzstärkste Unternehmen unserer Branche. Eine Vielzahl von globalen und lokalen Kabelkonfektionären sowie einzelne grosse Automobilhersteller gehören dort zu unseren Kunden. Vergleicht man jedoch die Grösse des Marktes mit unserem Umsatz in China, dann ist erkennbar, dass wir in anderen Regionen deutlich stärker positioniert sind. In unserer 2023 verabschiedeten Strategie 2028 ist deshalb China ein Fokusthema. Einerseits, weil sich uns in China viel Wachstumspotenzial bietet, und anderseits, da chinesische Mitbewerbende zunehmend stärker werden.
Wie hat sich dies 2023 gezeigt?
Beat Kälin: Diverse Kundinnen und Kunden von uns setzen auf eine Second-Source-Strategie und kaufen bei mehreren Lieferanten Kabelverarbeitungsmaschinen ein. Mit dem Wegfall von Schleuniger als Option neben Komax zieht unsere Kundschaft zunehmend chinesische Anbieter in Betracht. Dies verschärft die Wettbewerbssituation, vor allem, wenn lediglich Preise einander gegenübergestellt werden. Dies relativiert sich, sobald die angebotenen Maschinen der Komax Gruppe und ihrer Mitbewerbenden im Detail verglichen werden. Deshalb sind wir in China stark gefordert, um unsere Position verteidigen zu können.
Was bedeutet dies strategisch?
Beat Kälin: Wir müssen noch näher bei unserer Kundschaft in China sein, denn Geschwindigkeit ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Konkret bedeutet dies, dass wir vermehrt Produkte, die für China und den weiteren asiatischen Markt bestimmt sind, direkt in China produzieren und auf lokale Bedürfnisse anpassen. Die Komax Gruppe fertigt bereits seit Jahren in China Produkte sowie Applikationen und verfügt somit über die nötige Erfahrung. Durch den Zusammenschluss mit Schleuniger haben wir mit dem Produktionsstandort in Tianjin zusätzliches Know-how erhalten. Dieser wird künftig weiter gestärkt. Das heisst, die angesprochene Lokalisierung von Maschinen für den asiatischen Markt findet in Tianjin statt. Die Umsetzung ist bereits im Gang.
Reicht dies, um den Marktanteil in China zu vergrössern?
Beat Kälin: Bei unseren strategischen Fokusthemen gibt es eine ganze Reihe von Massnahmen, um unsere Ziele zu erreichen. Neben der angesprochenen Lokalisierung sind wir in China beispielsweise offen, uns akquisitorisch zu verstärken, wenn wir überzeugt sind, dass ein Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zu unserer nachhaltigen, profitablen Wachstumsstrategie leisten kann.
Wie kommt die Integration von Schleuniger voran?
Matijas Meyer: Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Zahlreiche Teams sind bereits stark durchmischt. Für Aussenstehende ist vermutlich vielerorts nicht mehr erkennbar, ob jemand ursprünglich von Komax oder Schleuniger kam. 2023 haben wir die Schleuniger-Gesellschaften auf die IT-Umgebung von Komax migriert und damit die Zusammenarbeit unter den Mitarbeitenden deutlich erleichtert.
Was ist Ihnen 2023 im Integrationsprozess besonders wichtig gewesen?
Matijas Meyer: Oberste Priorität war, keine Kundinnen und Kunden zu verlieren. Dies haben wir erreicht. Es ist uns gelungen, bereits 2023 beinahe das gesamte Vertriebsnetzwerk zu optimieren, was viel dazu beigetragen hat. Vor dem Zusammenschluss hat Schleuniger weltweit mit 36 Distributoren zusammengearbeitet. Auch Komax arbeitet mit Distributoren zusammen, hat jedoch viel mehr eigene Gesellschaften, die sich lokal um den Vertrieb und den Service kümmern. Nun ging es darum, für jedes einzelne Land eine Lösung zu erarbeiten, damit schlussendlich alle Produkte der gesamten Komax Gruppe aus einer Hand angeboten werden können. Wenn es sowohl einen Komax- als auch einen Schleuniger-Distributor in einem Land gegeben hat, ist eine optimale Lösung nicht immer einfach zu finden gewesen, doch haben wir vieles bereits geschafft.
Haben Sie sich bisher ausschliesslich auf die Vertriebsstrukturen konzentriert?
Matijas Meyer: Nein, ganz und gar nicht. Wir haben auch das mit dem Zusammenschluss noch umfassendere Produktportfolio intensiv analysiert. In einzelnen Produktsegmenten gibt es einige Überlappungen, die wir bereinigen. Dabei setzen wir auf eine «Best of»-Strategie, wobei wir Produkte schrittweise aus dem Markt nehmen. Verbleibende Produkte werden weiterentwickelt und dabei teilweise mit Funktionen aufgegebener Produkte ergänzt. Die Optimierung des Produktportfolios trägt schrittweise zu einer Reduktion der Komplexität und der Unterhaltskosten bei. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, wird es jedoch noch einige Jahre dauern.
Die Optimierung des Produktportfolios trägt schrittweise zu einer Reduktion der Komplexität und der Unterhaltskosten bei.
2023 hat die Komax Gruppe ihre Strategie 2028 veröffentlicht. Wo liegt der Fokus, um die angestrebten Ziele erreichen zu können?
Beat Kälin: Wir wollen weiterhin kräftig und profitabel wachsen und 2028 einen Umsatz von CHF 1.0 bis 1.2 Milliarden sowie ein betriebliches Ergebnis von CHF 120 bis 160 Millionen erzielen. Das entspricht einem jährlichen durchschnittlichen Umsatzwachstum von 6 bis 9%. Um dies erreichen zu können, haben wir uns verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Einerseits müssen wir das Servicegeschäft vergrössern, das bisher vor allem aus dem Ersatzteilgeschäft besteht, und anderseits, wie bereits erwähnt, das Geschäft in Asien, insbesondere in China, aber auch in Indien, ausbauen. Zudem gibt es in den Marktsegmenten Aerospace & Railway sowie Industrial & Infrastructure viel Automatisierungspotenzial, das wir noch besser heben können. Entscheidend ist auch, dass wir weiterhin Lösungen auf den Markt bringen, die unseren Kundinnen und Kunden echte Wettbewerbsvorteile bieten. Sei dies beispielsweise, indem sie die Automatisierung deutlich erhöhen oder die Qualitätssicherung entlang der gesamten Wertschöpfungskette sicherstellen.
In der neuen Strategie ist erstmals ESG ein integraler Bestandteil. Weshalb erst jetzt?
Beat Kälin: Ökologisch nachhaltiges Wirtschaften sowie eine sozial orientierte und verantwortungsbewusste Unternehmensführung sind bereits in der Vergangenheit Kernelemente unserer Strategie gewesen. Neu ist, dass wir diese unter dem Begriff ESG zusammenfassen und deutlicher kommunizieren, dass dieser den Rahmen unserer Strategie bildet. Dazu gehört, dass wir uns 13 nicht finanzielle Ziele gesetzt haben, die es bis 2028 zu erfüllen gilt. Auch haben wir das ESG-Reporting stark ausgebaut und einen ESG-Bericht nach GRI-Standards erstellt.
Welche Themen haben 2024 hohe Priorität?
Matijas Meyer: Das Marktumfeld ist momentan sehr herausfordernd, da die Kundschaft weiterhin zurückhaltend mit Investitionen ist. Daher gilt es, die Vertriebsaktivitäten zu intensivieren und die Kosten, wo immer möglich, zu reduzieren. Damit haben wir bereits in der zweiten Jahreshälfte 2023 begonnen. Neben diesen Themen steht für mich vor allem die Umsetzung der Strategie 2028 im Zentrum. Wir haben uns ambitionierte finanzielle Ziele gesetzt, die für mich nach wie vor erreichbar sind.
Was stimmt Sie trotz der aktuell angespannten Marktsituation zuversichtlich?
Matijas Meyer: Wir befinden uns in einem Wachstumsmarkt, denn der Automatisierungstrend ist grundsätzlich ungebrochen. Da erst 20% der Kabelverarbeitung maschinell erfolgen, bietet sich uns ein enormes Wachstumspotenzial. Momentan ist der angestrebte Umsatz von über 1 Milliarde Franken im Jahr 2028 weit entfernt, doch wir sind nie davon ausgegangen, dass wir von 2024 bis 2028 ein lineares Wachstum erzielen werden. In den kommenden Jahren stehen verschiedene spannende Produktlancierungen an, die, neben vielen anderen strategischen Initiativen, zur Erreichung der Ziele beitragen werden. Zudem werden wir die Komax Gruppe strukturell weiter optimieren, um das Potenzial, das der Zusammenschluss uns bietet, bestmöglich auszuschöpfen.